Wintermond & Zehn Prozent auf Frühling | 06.03.23

Das eine ist der Titel einer CD von Unfolkkommen aus Dresden, das andere der Name eines Tanzstücks auf dem Tonträger der Familie Gerstenberg aus Frankfurt/Oder. Beide, erschienen Ende 2022, seien hier mit einiger Verspätung vorgestellt. Außerdem „RUCHT“, das nur per Stream zu hörende Album mit Liedern von Wolfgang Meyering in niederdeutscher Sprache.

Autor: Wolfgang Leyn

Unfolkkommen: „Wintermond“ (Eigenverlag 2022, LC 11807)

Wer das Folk-Duo aus Dresden von ihren Auftritten mit Liedern der Handwerksgesellen oder ihren säggs‘schen Folksliedern kennt, kraftvoll, schlagfertig, ironisch, der lernt Micha Schaufuß und Frank Menzer hier von einer ganz anderen Seite kennen. Zu hören sind Stücke, die sie sonst nur selten spielen, sparsam instrumentiert und wohltuend schlicht vorgetragen, „Lieder, die uns sehr ans Herz gewachsen sind […], einige davon sind alte Volkslieder, andere von wunderbare Lyrikern und Musikern geschrieben“ heißt es im Text auf der CD-Hülle. Zu letzteren gehören Wenzels „Herbstlied“, das von Wolfgang Rieck vertonte „Kaschubische Weihnachtslied“ oder „Meiner Mutter Schnee“, komponiert von Stephan Krawczyk. „Oh, sie glänzen“ aus Schweden hat Scarlett O‘ nachgedichtet. Vier der zwölf Stücke haben einen Bezug zu Weihnachten, dennoch kann man diese Unfolkkommen-CD sehr gut auch zu anderen Zeiten hören. Nicht geeignet ist sie zur Nebenbei-Musikberieselung.

Anspieltipp: „Oh, sie glänzen“ (Track 9). Bestellbar über: https://www.unfolkkommen.de/?ID=406&art_param=20

Familie Gerstenberg: „Best of Vol. 3“ (Wolfgang Strauch Musikproduktion 2022, LC 33130)

Die CD enthält zwei Lieder und zehn Instrumentalstücke, allesamt tanzbar - Schottisch, Walzer, Mazurka, Jig, Rondeau, Bourrée, Gavotte, Hanter dro - gespielt auf Akkordeon, verschiedenen Dudelsäcken, Akkordeon, Sopransaxophon, Gitarre, Waldzither, Banjo, Ukulele und Perkussion. Je fünf Kompositionen stammen von Thomas Strauch und Marcus Fabian, zwei von René Pütsch, dem dritten Mann des Trios namens Familie Gerstenberg. Eine leichte Melancholie zieht sich durch die gesamte CD. Als Therapeutikum in Sachen November-Blues wäre sie also nicht wirklich geeignet, es sei denn, man tanzte gegen ihn an, am besten mit dem richtigen Partner bzw. der richtigen Partnerin im Arm, egal ob zum „Winterwirbel“ oder den „Zehn Prozent auf Frühling“. Als Service für Musikanten, welche die Stücke nachspielen möchten, stehen im Booklet die Noten.

Anspieltipp: „Mazurka für L & T“ (Track 7). CD-Bestellungen über https://thomasstrauch.com/?p=7&k=22

Wolfgang Meyering und Michael Waterstradt: „RUCHT“

„Rucht“ - ist ein altes niederdeutsches Wort für „Dämmerung“, am Morgen wie am Abend. Wolfgang Meyering, der in Ostfriesland aufgewachsen ist, hat die zumeist autobiografischen Lieder in seiner niederdeutschen Muttersprache geschrieben. Da ist die Erinnerung an die Jugendzeit, die Liebe als Trost an düsteren Tagen, die flügge gewordene Tochter, die nun ihre eigenen Wege sucht, das Nachdenken über die Vorfahren, die einst ins Moor gingen, um Not und Unterdrückung zu entfliehen und über die Flüchtlinge von heute, die in das Haus hinterm Deich eingezogen sind. Meyering, Mitte der 90er Jahre nach Berlin gezogen, musizierte u. a. bei JAMS und Malbrook. 20 Jahre lang leitete er beim Rudolstadt-Festival den Instrumenten-Schwerpunkt. Michael „Waki“ Waterstadt war 1979-82 Bassist der Ostberliner Band Polkatoffel. Beide kennen sich seit Jahren von diversen Weltmusik-Projekten. Hier haben sie erstmal als Duo zusammengearbeitet - Waki am Kontrabass, Wolfgang an Mandoline, Mandola und Gitarre. Ich bedaure sehr, nicht jede Zeile der niederdeutschen Verse verstanden zu haben, doch die abwechslungsreichen Kompositionen, das einfühlsame Miteinandermusizieren beider und Wolfgangs unter die Haut gehender Gesang machen das Hören für mich dennoch zum Genuss.

Anspieltipp: „Heel laang heer“ (Track 5), Livestream unter: https://music.apple.com/de/album/rucht/1641773956?l=en