Liedempfehlung Juli/August: „Die Flößer“

Erstmals empfehlen wir ein Lied im Dialekt! In den 70ern und 80ern waren „Die Flößer“ der Hit der thüringischen Folkloregruppe der Erweiterten Oberschule Neuhaus (später Kantholz). 1980 erschien es auf der Langspielplatte „Frisch auf ins weite Feld“, dem ersten Folk-Sampler des DDR-Labels Amiga. 2020 sang Unfolkkommen aus Dresden das Lied mit Bewohnern des einstigen Thüringer Flößerdorfes Drognitz. Hier sind Text, Noten, Hörbeispiele und Liedgeschichte.

Unfolkkommen (Micha Schaufuß, Frank Menzer, von links)

Das Lied in fränkischer Mundart ist eine Art „binnenländisches Shanty“. Aus ihm sprechen Selbstbewusstsein und Gemeinschaftsgefühl der Flößer. Durch den Wechselgesang zwischen Vorsänger und Chor eignet es sich hervorragend zum Mitsingen. Das Duo Unfolkkommen aus Dresden beweist, dass das auch für Nicht-Franken bzw. Nichtthüringer gilt. Die beiden kannten das Lied aus dem Liederbuch von Horst Traut „Wir bauen all an einem Turm“, doch es gehörte nicht zu ihrem aktiven Programm. Das änderte sich 2020. Micha Schaufuß erklärt, wie es dazu kam:

„Wir sind zwar eingefleischte Sachsen, haben aber seit vielen Jahren im Thüringer Schiefergebirge ein Basislager im Wald, sozusagen unsere zweite Heimat. Oberhalb der alten Saale und des heutigen Hohenwarte-Stausees liegt das Dörfchen Drognitz, wo seit Jahrhunderten Holz geflößt wurde. Dort steht das alte Wirtshaus ‚Zum Wolf‘. In der Gaststube fanden die Flößer nach schwerer Arbeit und einem zünftigen Umtrunk Unterkunft. An den Wänden gab es Klapptische und für das Nachtlager eine Schütte Stroh. Die nassen Klamotten konnten über dem alten Kaminofen trocknen. Den gibt‘s heute noch. Und am Deckenbalken der Wirtshausstube kann man die von den Flößern eingeschlagenen Zeichen sehen.

Die 500 Jahre alte Flößergaststätte "Zum Wolf" in Drognitz (Landkreis Saalfeld-Rudolstadt)

Wir sitzen des Öfteren in diesem Wirtshaus, und als das 900-jährige Dorfjubiläum anstand, haben wir unsere musikalische Unterstützung zugesichert und beschlossen, das Flößerlied gemeinsam mit den Dorfbewohnern einzusingen. Jede Familie hat dort schließlich einen Altvorderen, der als Flößer auf der Saale unterwegs war. Beim Drognitzer ‚Kürbisfest‘ 2019 haben wir das Lied dann im Bierzelt auf dem Dorfplatz mit dem Handy aufgenommen und haben es als Liedpostkarte nebst Mini-CD zum großen Fest im September 2020 veröffentlicht.“

KLANGBEISPIELE

"Die Flößer" mit der Folkloregruppe der EOS Neuhaus (Live-Aufnahme um 1980, Solist: Horst Traut)
"Die Flößer" - Aufnahme von Unfolkkommen mit Einwohnern des thüringischen Flößerdorfes Drognitz (2019)

NOTEN

TEXT
Lustig is dos Flößerlām* (Flößerlām), wemmer ölle sen zesamm (wemmer ölle sen zesamm). *Flößerleben
Ze früh öm sechse fang mer o (fang mer o), tüchtig is a Flößerschmo* (tüchtig is e Flößerschmo). *Flößersmann
Do packe mer Seil un Hackle (Hackle) un Spannekeil un Sāchle (Sāchle) ­
Un fange gleich es Arbt‘tn* a (Arb‘tn o), tüchtig is a Flößerschmo (tüchtig is a Flößerschmo). *Arbeiten
Einer: War is tüchtig? Gruppe: Die Flößer!
Einer: Wu seid ihr? Gruppe: Do!
Einer: Laßt eüch hör! Gruppe: Dunnerkeil!

(Refrain:) Jo! - Hans geh no, Hans geh no, lustig sen mir Flößer do.
Hans geh no, Hans geh no, lustig sen mir do.

Öm neüne is es Frühstück do, Durscht un Hunger hammer scho.
Do schicke mer `s Büble ins Durf nei, käft Broet un roten Praßsock* ei. *Presssack, oberfränkische Wurstspezialität
Nacher trinkt a jeder von dan Fōß, seine zwä drei vier fünf Mōß.
Einer: War trinkt die? Gruppe: Die Flößer! ...

Mittog öm zwölfe is suweit, un wenns racht is Assnszeit.
Do packe mer Messer un Gobln, fange herzhaft o ze schnobln.
Do wörds dan Floßherrn angst un bang, seine Flößer frassn lang!
Einer: War frisst lang? Gruppe: Die Flößer! ...

Un wenn de Glockn viere schlöcht, wörd zum Halwerohmd* gerächt. *Vesper
Do hole mer e Gerächerts* ro un stecke e neüs Faßle o. * Geräuchertes
Nacher trinkt a jeder von dan Fōß seine zwä drei vier fünf Mōß.
Einer: War trinkt die? Gruppe: Die Flößer! ...

Wenns sieme schlöcht vom Kärchtorm ro, is der Feierohmd a schö do.
Nacher war mer nei in dos Städtle gen, wu lauter schönne Mädle senn (ja wu senn se denn?)
Do singe mer die ganze Nocht, bis unner Gald is dorchgebracht.
Einer: War brängts dorch? Gruppe: Die Flößer! ...

GESCHICHTE
Bis ins 20. Jahrhundert wurden Baumstämme, Balken oder Bretter in ganz Europa auf allen dafür geeigneten Flüssen geflößt, aus den Wäldern in die Städte, als Bau- oder Brennholz. Die Flößerei auf der Saale wurde im Jahre 1258 erstmals schriftlich erwähnt. Die letzte Floßfahrt fand hier am 18. April 1938 statt. Die Arbeit der Flößer war schwer und gefährlich, besonders bei der Fahrt über die Wehre, ihre Beschäftigungslage unsicher, abhängig von den schwankenden Holzpreisen. Ihr Einkommen verglich ein Zeitgenosse um 1860 mit einem Würfelspiel: „Bald trifft man nichts, bald nicht viel“. Nässe und Kälte im Frühjahr nach der Schneeschmelze waren nicht gesund.

Floßfahrt über ein Saale-Wehr

Zur Unterstützung kranker und hilfsbedürftiger Berufskollegen organisierten sich die Flößer vor allem im 19. Jahrhundert in Vereinen. Es waren handfeste, selbstbewusste Burschen, nicht selten gefürchtet wegen ihrer Rauflust. Häufig verdingten sich Waldarbeiter für eine Saison bei einem Floßherrn. Das Flößerlied entstand um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Oberfranken, vermutlich nach dem Vorbild eines bayerischen Soldatenliedes. Dafür spricht eine andere Textfassung, in der es in der ersten Strophe heißt:

„Dann ergreifen wir die Waffen,
fangen hurtig an zu schaffen…“

Das Lied beschreibt den 13-stündigen Arbeitstag der Flößer von früh 6 Uhr bis abends 7 Uhr. Ein Arbeitslied war es, anders als die Shantys der Seeleute, sicherlich nicht. Micha Schaufuß dazu:

„Es war wohl eher Bestandteil des abendlichen Umtrunks nach getaner Arbeit und überstandenen Gefahren“.

Die Liedpostkarte von Unfolkkommen

In Deutschland informieren zahlreiche Museen über die Geschichte des Flößens. In Thüringen zum Beispiel das 2001 eröffnete Flößereimuseum Uhlstädt-Kirchhasel. Dort erfahren die Besucher Interessantes zur Technik des Floßbaus und des Flößens, über Lebensweise, Sitten und Gebräuche der Saaleflößer.

Womöglich steht die Flößerei ab 2022 sogar auf der internationalen Liste des Immateriellen Kulturerbes. Jedenfalls haben es Deutschland, Lettland, Österreich, Polen, Spanien und Tschechien dafür bei der UNESCO nominiert.

Frühere Lied-Empfehlungen

Mai 2021: "Wie schön blüht uns der Maien", empfohlen von Matthias "Kies" Kießling (Ex-Wacholder)
Juni 2021: "Bürgerlied" von 1845 mit Text von 2020, empfohlen von Florian Kirner (Prinz Chaos II.)