Lied-Empfehlung: Maria durch ein Dornwald ging | 23.12.21

Wurden und werden in der Folkszene Weihnachtslieder gesungen? Auf jeden Fall, wenn auch bei weitem nicht so ausgiebig wie landauf landab von den Chören. Das Duo Unfolkkommen aus Dresden empfiehlt ein Weihnachtslied, "das wir über all die vielen Jahre mit uns herumtragen". Angeregt durch eine Liederjan-CD ist eine ganz eigene, volksliedhaft schlichte Interpretation entstanden. Eingespielt wurde sie für eine neue Platte mit "Winterliedern". Weil aber Live-Konzerte wegen Corona gerade nicht stattfinden können, kommt sie erst im Herbst 2022 heraus. Als Vorgeschmack und als akustischer Weihnachtsgruß von Unfolkkommen (und vom Ostfolk-Team) hier schon mal eine Auskopplung daraus: "Maria durch ein Dornwald ging".

Das Lied erzählt mit schlichten Worten eine wundersame Geschichte. Maria, schwanger mit dem Jesuskind, ist unterwegs durch ein schon vor Jahren verdorrtes, dorniges Dickicht. Und plötzlich blühen dort Rosen. Die Kirchentonart des Liedes und das wiederkehrende "Kyrie eleison!" - „Herr, erbarme dich!“, das seit Jahrhunderten die katholischen Messe einleitet, lassen das Lied uralt erscheinen, was aber wohl gar nicht zutrifft. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat es sich in ganz Deutschland herumgesungen und zählt in der Advents- und Weihnachtszeit zum festen Repertoire vieler Chöre. Auch in der Folkszene fand es Anklang. 1989 spielte die Gruppe Horch aus Halle eine Langspielplatte mit Weihnachtsliedern ein, unter dem Titel "Maria durch ein Dornwald ging". Nun, drei Jahrzehnte später also das Duo Unfolkkommen aus Dresden. Was verbindet Michael Schaufuß und Frank Menzer mit diesem Lied?

Michael Schaufuß und Frank Menzer (von links)

"1999 hat Liederjan eine wunderbare CD mit Weihnachtsliedern unter dem Titel 'Loses zum Fest' veröffentlicht und deren Fassung von Maria und ihrem Kind fanden wir schon immer grandios. Seit wir als Unfolkkommen zusammen musizieren, singen wir bei unseren Proben im Advent das Lied ganz für uns in dieser druckvollen A-cappella-Fassung. Beim Arrangieren der Lieder für die CD waren wir sehr darauf bedacht, die Schlichtheit der (Folks)Lieder zu erhalten. So ist dann eine ganz andere Fassung entstanden."

NOTEN

TEXT

Maria durch ein Dornwald ging.
Kyrieleison!
Maria durch ein Dornwald ging,
der hatt' in sieben Jahr'n kein Laub getragen!
Jesus und Maria.

Was trug Maria unter ihrem Herzen?
Kyrieleison!
Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen,
das trug Maria unter ihrem Herzen.
Jesus und Maria.

Da haben die Dornen Rosen getragen;
Kyrieleison!
Als das Kindlein durch den Wald getragen,
da haben die Dornen Rosen getragen!
Jesus und Maria.

Was kriegt das Kind zum Patengeld?
Kyrieleison!
Den Himmel und die ganze Welt,
das kriegt das Kind zum Patengeld!
Jesus und Maria.

MUSIKBEISPIELE

Unfolkkommen (2021)
Liederjan (CD "Loses zum Fest", 1999)
Steirische Harmonika (Franz Fuchs, Stammtischmusi Klosterneuburg (Österreich):
The Basilica of Saint John the Evangelist Stamford, Connecticut (USA)

LIEDGESCHICHTE

Lange ging man davon aus, dass das Lied um 1600 im thüringischen Eichsfeld als Wallfahrtslied entstand. Jedoch steht es in keinem der katholischen Gesangbücher des 17. und 18. Jahrhunderts. Älteste bekannte Quelle ist die 1850 in Paderborn gedruckte Sammlung "Geistliche Volkslieder mit ihren ursprünglichen Weisen, gesammelt aus mündlicher Tradition und seltenen alten Gesangbüchern". Sie wird in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster aufbewahrt und umfasst mehrere tausend Seiten, Text- und Notenblätter, Hefte, manchmal auch nur Zettel mit Notizen. Der Herausgeber August von Haxthausen (1792–1866) stand im regen Austausch mit den Brüdern Grimm und Annette von Droste-Hülshoff. Überlieferte Text- und Melodiefragmente wurden von den Volksliedsammlern in der Zeit der Romantik nicht selten zusammengefügt und ergänzt.

So könnte auch die siebenstrophige Fassung von "Maria Durch ein Dornwald" zustande gekommen sein, vielleicht auf der Grundlage eines sogenannten "Ansingeliedes" aus dem katholischen Eichsfeld zum Fest der Namensgebung Jesu, von "Frauen und Mädchen des Dorfes … unter dem Fenster oder an der Tür gesungen", wie Haxthausen schrieb. Von ihm übernahmen 1856 Ludwig Erk und Franz Magnus Böhme das Lied in den berühmten "Liederhort". Eine dreistrophige Fassung wurde 1912 im "Zupfgeigenhansl" abgedruckt, dem Liederbuch der Wandervogel-Bewegung (Gesamtauflage über eine Million), später auch in anderen Wandervogel-Liedsammlungen. "Maria durch ein Dornwald ging" gehört zu den wenigen geistlichen Liedern, die ohne kirchliche Überlieferung populär wurden. Erst vor wenigen Jahrzehnten fand es Eingang in die katholischen Kirchgesangbücher, nicht aber in die evangelischen.

Noch mehr Liedgeschichte:
http://www.liederlexikon.de/lieder/maria_durch_ein_dornwald_ging