Kann man Paartänze über Zoom unterrichten?

Ja, das kann man, sagt Festival-Chefin Lena Thalheim über das diesjährige Leipziger Tanzhausfest, das wegen Corona vom Tanzparkett ins Internet verlegt wurde. "Experimentiert und motiviert euch gegenseitig!", rät sie anderen Veranstaltern in dieser Lage. Das Online-Festival war ein Erfolg, so ihr Fazit. Es wurden Menschen erreicht, denen sonst der Weg nach Leipzig zu weit war. Und dennoch hofft sie, das Fest nicht noch mal online ausrichten zu müssen.

Das 35. Leipziger Tanzhausfest nutzte eine digitale Festivalwiese auf gathertown. Klein in der Mitte: Lena Thalheim.

Hat das Tanzhausfest auch online funktioniert?
Noch frisch sind die Erinnerungen, die Füße wippen noch und die Ohren und Augen erinnern sich gerne an Sessions, Workshops und Bälle. Ja, das Tanzhausfest war ein voller Erfolg und noch zwei Tage später bekommen wir viele Nachrichten, die uns in unserem Mut und unserer Kreativität unterstützen.

Sicherlich hatten wir dieses Mal bei der Auswahl der Dozent*innen und Bands andere Herangehensweisen als sonst (sie mussten je nach Land gemeinsam wohnen, weil Reisen nicht immer möglich war und stabiles Internet zu Hause haben etc.). Aber abseits der gewohnten Wege haben wir auch sehr viel gelernt. Kann man Paartänze über Zoom unterrichten? Ja. Kann man sich auch vom Küchentisch aus mit Leuten, die hunderte Kilometer entfernt wohnen über Musik und Tanz unterhalten, ohne das Festivalgefühl zu verlieren? Ja. Kann man auch von zu Hause zehn Stunden Tanz und Musik so genießen, dass man einfach nicht still sitzen will, sondern sich bewegen muss? Definitiv ja.

Wie viele Besucher waren im Vergleich zum letzten "analogen" Fest dabei?
Normalerweise treffen sich zum Tanzhausfest jeden Tag etwa 350 Folkbegeisterte. Jetzt waren pro Tag etwa 80 Personen online, was eine sehr angenehme Zahl war, um die Workshops zu zweit oder zu dritt noch möglichst persönlich zu betreuen. Das Spannende daran war, dass wir mit dem Online-Format eine Klientel angesprochen haben, die im Durchschnitt mit Mitte 50 durchs Leben tanzt. Damit haben wir etwa zehn Jahre ältere Tänzer*innen angesprochen, als wir es sonst auf unseren Festivals gewohnt sind. Das freut uns sehr. Denn wir haben auch Menschen erreicht, die uns vorher vielleicht nur ein oder zwei Mal bei Bällen in Leipzig kennengelernt haben, denen sonst der Weg aber zu weit war. Von Rügen bis Freiburg und von Leipzig bis Schottland hatten wir damit eine bunte Mischung an Teilnehmenden und Dozent*innen, die wir sonst nicht hatten, aber die dieses Festival sehr bereichert haben.

Was habt Ihr für ein Feedback bekommen?
Bislang war das Feedback durchweg positiv. Allerdings trudeln auch weiterhin noch Nachrichten bei uns ein. Besonders wertgeschätzt wird, dass wir es nicht nur versucht haben, sondern auch mit hoher Qualität vermittelt haben. Auch haben wir uns Zeit gelassen, und zum Beispiel jeden Tag mit einer Stunde entspanntem Gespräch in Zoom-Breakout-Sessions begonnen, um gemeinsam zu frühstücken, Urlaubsfotos auszutauschen oder auch einfach technische Probleme zu lösen. Das hat vielen sehr gefallen und Hürden abgebaut. Und dann haben wir von vornherein gesagt, dass wir das Festival online und international aufbauen wollen, also Kurse auch auf Englisch anbieten wollen. Auch das war ohne Frage ein mutiger und richtiger Schritt.

Welche Erfahrungen könnt Ihr an andere Veranstalter weitergeben?
Traut euch. Seid mutig. Nichts zu machen ist Stillstand, und ohne Bewegung kann man weder musizieren noch tanzen. Macht, wonach euch der Sinn steht, experimentiert und motiviert euch gegenseitig. Online ersetzt nicht die Realität. Daran ändert sich auch nichts. Vertraut eurem Netzwerk und bleibt immer auf der Höhe der Zeit. Keiner weiß, ob wir durch Corona ein Jahr verloren haben. Wichtig ist, dass man das Beste aus der Zeit macht und sich nicht im Nachhinein darüber ärgert, dass man nichts versucht hat. Auch wir haben unsere Nachbesprechung damit angefangen, dass wir das hoffentlich nie wieder nur online machen müssen. Aber dann haben wir doch aufgeschrieben, was man im Zweifelsfall alles beachten sollte und was wir alles gelernt haben. Und wenn wir eines gelernt haben, dann, dass Folk lebendig ist und mit genug Kreativität, Leidenschaft und sturem Optimismus auch gegen allerhand Hindernisse antanzen kann.

Die Fragen stellte Wolfgang Leyn.

Interview mit Lena Thalheim vor dem Tanzhausfest (11.05.2021)

Ostfolk-Festivals 2021