Folkherbst-Preisträger Herje Mine im Interview | 29.01.24

Seit 1992 wird beim Plauener FolkHerbst jedes Jahr der "Eiserne Eversteiner" vergeben, Deutschlands einziger europäischer Folkmusikpreis. Erst zum 4. Mal erhält ihn eine Band, die nicht aus dem Ausland kommt. Herje Mine, ein multinationales Quintett aus Leipzig, überzeugte 2023 sowohl die Juroren als auch die Besucher des Wertungskonzerts im Malzhaus und spielte nun am 27. Januar dort das Preisträgerkonzert.

Herje Mine aus Leipzig beim Preisträgerkonzert des Plauener Folkherbstes (Foto: Peter Awtukowitsch)
Herje Mine aus Leipzig beim Preisträgerkonzert des Plauener Folkherbstes (Foto: Peter Awtukowitsch)

Diese fünf talentierten Musiker, deren Wurzeln sich über Polen, Israel, Venezuela und Deutschland erstrecken, haben mit ihrer lebendigen Balkanmusik, die durch ihre Sinnlichkeit, Leidenschaft und eine beeindruckende Vielfalt an Tempo und Dynamik besticht, das Herz des Publikums erobert und schlussendlich auch die Jury überzeugt.

Aus der Jury-Begründung

VON WOLFGANG LEYN

Für Herje Mine-Gründerin Friederike v. Oppeln ist der Preis eine „Bestätigung, dass wir das Richtige tun“. Das schrieb sie mir vor kurz vor dem Preisträgerkonzert am 27. Januar als Antwort auf eine meiner Interview-Fragen zur Band und ihrer Musik.

Ihr kommt aus ganz verschiedenen Weltgegenden. Wie und wo habt Ihr Euch kennengelernt?
Wir haben uns über gemeinsame Bekannte, Aushänge und das Musikstudium an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater kennengelernt. Friederike v. Oppeln hat die Band 2015 gegründet, nachdem sie zum Masterstudium Klarinette nach Leipzig gezogen war. Sie, die Violinistin Izabela Kałduńska und der Kontrabassist Jakob Petzl haben sich durch Neue-Musik-Projekten der HMT kennen gelernt. Die Schlagzeugerin und Gitarristin Gal Levy war die Mitbewohnerin unseres ersten Kontrabassisten und wurde von ihm in die Band gebracht. Sie war damals frisch von Israel nach Leipzig gezogen und suchte musikalischen Anschluss. Das hat dann sofort gepasst. Der Akkordeonist Mauricio Vivas, der seit Jahren tief in die transkulturelle Musikszene Leipzigs eingebunden ist, kam dazu, als unser ursprünglicher Akkordeonist aus Leipzig wegzog. Schon in Venezuela hat er sich intensiv mit Balkan-Musik beschäftigt und daher hat das auch sofort super gepasst.

War von Anfang an klar, welche Musik Ihr gemeinsam spielen wollt?
Wir haben mit bulgarischer Volksmusik angefangen und haben uns zunächst auch speziell um diese Musik formiert. Uns war aber schnell klar, dass wir selber komponieren wollen und auch andere Einflüsse, wie die Klezmermusik, einbeziehen wollen. Das hat sich über die Jahre zu einer eigenen Klangsprache entwickelt bei uns. Jede*r von uns bringt seine/ihre ganz persönliche Note ein. Mit unseren eigenen Stücken haben wir dann auch den Folkherbst gewonnen. Die intensive künstlerische Arbeit an eigener Musik hat uns die Ensembleförderung des Deutschen Musikrats ermöglicht, die wir während der Pandemie-Zeit erhalten haben. Unser jüngstes Projekt war eine Tour mit der israelischen Sopranistin Shira Bitan, mit der zusammen wir die sephardische Ladino-Musik ihrer und Gal Levys Kindheit auf die Bühne gebracht haben. Unser Ziel ist es weiterhin, eigene Musik zu schreiben.

Was hat es mit Euerm Bandnamen auf sich, der so gar nicht auf Balkanmusik hindeutet?
Herje Mine hat keine Bedeutung und ist ein Wortspiel. Es gab zur Gründung mal den Vorschlag, uns Herrjemine zu nennen. Unsere Schlagzeugerin Gal nannte uns dann immer Herja Mina, da es sie an Hebräisch erinnert. Wir fanden, dass das viel schöner und weicher klingt. Daraus wurde dann Herje Mine.

Wo und vor wem tretet Ihr am häufigsten / am liebsten auf?
Am häufigsten treten wir in kleinen Clubs vor 50-100 Leuten auf. Wir mögen am liebsten, wenn Leute sowohl aufmerksam unserer Musik lauschen als auch tanzen!

Eure Band ist in Leipzig zu Hause, bis 1990 die DDR-Folk-Hauptstadt. Wie empfindet Ihr heute hier die Atmosphäre für Folk und Weltmusik – Infrastruktur, musikantische Vernetzung, Publikum?
Leipzig ist eine wunderbare Musikstadt mit einer lebendigen transkulturellen Musikszene. Man spürt die Tradition der Folkmusik noch heute. Es gibt viele Musikerinnen und Musiker aus verschiedensten Ländern, ständig tolle Konzerte und niedrigschwellige Möglichkeiten aufzutreten. Interessiertes Publikum gibt es auch.

Was bedeutet Euch der Preis des Plauener FolkHerbstes?
Es ist der erste Preis, den wir jemals gewonnen haben. Wir sind da lustigerweise eher so reingerutscht, hatten gar nicht geplant, teilzunehmen. Daher freuen wir uns umso mehr und sind total überrascht und stolz. Wir hatten als Musikerinnen und Musiker ein paar harte Jahre durch die Pandemie, umso mehr ist das dann Bestätigung, dass wir das Richtige tun. Ein paar unserer Idole und Vorbilder haben den Preis vor uns gewonnen, das macht uns also total stolz.

Live-Konzert mit Herje Mine, Horns Erben, Leipzig, November 2022 (47'50)

Website von Herje Mine