Folk im Fluss 2021 - vielfältig und familiär

Vier Bands musizierten vom 10.-12. Juni beim Festival in Frankfurt/Oder: die gastgebende Familie Gerstenberg, Tworna aus Quohren, Folkkommen aus Dresden und die Kapela Hałasów aus Poznań. Im Mittelpunkt von Ausstellung und Gespräch stand die DDR-Folkszene. Es gab einen Tanz-Workshop als „Maskenball“ ohne Anfassen und Sessions bis früh. Wolfgang Leyn hat sich beim Festival sehr wohlgefühlt. Hier sein Bericht:

Festival "Folk im Fluss" 10.-12. Juni in Frankfurt/Oder

Vom Januar war Folk im Fluss coronabedingt in den Juni und nach draußen gewandert, in den Innenhof der Kulturmanufaktur Gerstenberg, einer einstigen Möbelfabrik nahe der Oder. Wohl als eines der ersten Folkfestivals im Land durfte es überhaupt wieder mit Publikum stattfinden. Eröffnet wurde es am 10. Juni mit einem Gespräch zur Ausstellung „1976 folkende …“ über die DDR-Folkszene. Einfühlsam musikalisch abgerundet wurde der Abend durch Familie Gerstenberg, die Hausband um Festivalchef Thomas Strauch.

Polnische Balladen und kunstvolle Improvisation über deutsche Volkslieder

Am zweiten Festivaltag erklang zunächst traditionelle Musik aus dem Nachbarland Polen – Balladen wandernder Sänger sowie Tanzmelodien. Die Kapela Hałasów aus Poznań musizierte virtuos auf Akkordeon, Drehleier, großer Trommel und geschlagenem Bauern-Cello. Ausdrucksvoller Gesang wechselte sich bei Jacek und Alicja Hałas ab mit Liedern ohne Worte. Bisweilen sorgte die knarzende Leier für einen Hauch von Free Jazz.

Später am Abend war mit dem Trio Tworna aus Quohren bei Dresden eine kunstvoll-expressive Annäherung an bekannte deutsche Volkslieder zu erleben. Eingeprägt hat sich mir vor allem die Interpretation von „Horch, was kommt von draußen rein“. Ohne „Hollahi, hollaho…“, den Kern des Liedes treffend, jenen Schmerz, ausgelöst von der Zurückweisung durch den Liebsten. Ungewöhnlich für deutsche Folklore ist die Begleitung auf der Nyckelharpa, jenem einst in Europa verbreiteten Streichinstrument, das in Schweden überlebt hat.

Gesellenlieder und "säggssche Gublehs"

Eine ganz andere Spielart von Deutschfolk vertritt Unfolkkommen aus Dresden. Das Duo brachte mit Frische und Humor einige jener Handwerksgesellenlieder auf die Bühne, die in den 1970er-Jahren vom deutsch-deutschen Folk-Revival wiederentdeckt worden waren. Besonders gefreut habe ich mich über das Flößerlied, in den 1980ern der „Hit“ der Folkband Kantholz aus Neuhaus am Rennweg. Im zweiten Teil des Programms präsentierte man dann selbst ausgegrabene „säggssche Folkslieder“, humorvolle Couplets über den Alltag der kleinen Leute um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Folk im Fluss ging am 12. Juni zu Ende. Die Ausstellung über das DDR-Folkrevival ist noch bis Juli in der Kulturmanufaktur Gerstenberg zu sehen.

Mein Fazit des 17. Festival-Jahrgangs: abwechslungsreiche Musik, interessante Gespräche, familiäre Atmosphäre, tolle Sessions, wenig Schlaf. Mein Dankeschön an Thomas Strauch und sein Team. Auf ein Neues im Januar 2022!

Interview mit Festivalchef Thomas Strauch vor dem Festival

Mehr über die Ausstellung "1976 folkende ..."

Bilder vom Festival Folk im Fluss 2021

Ostfolk-Festivals 2021