Man nannte sie auch „Mutter aller DDR-Folk-Tanzmeister“. Ihr Lebenswerk war das Tanzhaus in der Südthüringer Gemeinde Benshausen, das sie 1977 gründete und über zwei Jahrzehnte leitete. Am 30. April fand in Potsdam die Trauerfeier für die Tänzerin, Tanzpädagogin und Choreographin Eva Sollich statt, die am 15. März im Alter von 87 Jahren gestorben war. Zur Beerdigung wurde mit allen Trauergästen getanzt, so wie Eva es sich gewünscht hatte.

Geboren wurde Eva Sollich 1937 in Genthin, einer kleinen Stadt zwischen Magdeburg und Berlin. Seit frühester Jugend war die gelernte Schneiderin dem Volkstanz verbunden. Mit fünfzehn leitete sie ihre erste eigene Tanzgruppe, wurde später Fachmethodikerin für Tanz in Salzwedel und Magdeburg. Nach dem Studium der Tanzpädagogik an der renommierten Palucca-Schule in Dresden arbeitete sie in Güstrow und Jena auf dem Gebiet des Volkstanzes.
Tanzen mit mehreren Generationen
1977 gründete Eva Sollich in Benshausen bei Zella-Mehlis im Landkreis Schmalkalden-Meiningen das erste und einzige Tanzhaus der DDR (und ganz Deutschlands). Das hat sie dann über zwanzig Jahre lang geleitet. Dort tanzten Dorfkinder gemeinsam mit ihren Eltern und Großeltern Volkstänze aus der Region. Wie ihre Lehrerin Gret Palucca war sie überzeugt, dass jede und jeder tanzen kann und das mit eigener Stimme und auf eigene Art und Weise. Eva Sollich choreografierte Programme, in denen sie historische Tänze und Bräuche inhaltlich und sozial genau auf die Bühne brachte. Viele davon wurden bei den Rudolstädter Tanzfesten aufgeführt und mit Preisen bedacht. Dabei war sie immer darauf bedacht, Laientänzer verschiedener Generationen einzubeziehen.
Mir schwebte immer vor, zur Wurzel des Tanzes zu kommen, irgendwo auf dem Dorf zu arbeiten, möglichst dort, wo noch etwas zu finden ist. Als ich das Volkskunde-Studium an der Universität absolvierte, hab ich ja in der Feldforschung gearbeitet. Und es war unglaublich, was man in der Nähe der Grenze – natürlich nur mit Passierschein – noch finden konnte, was die Menschen dort noch bewahrt hatten.
Ausbildung für Folk-Tanzmeisterinnen und -Tanzmeister
Mitte der 1970er Jahre entstand die DDR-Folkszene. Nach 1980 entwickelte sich dort der Mitmach-Volkstanz zum massenwirksamsten und am schnellsten wachsenden Zweig. 1984 waren schon mindestens 16 Tanzgruppen in der DDR aktiv. Deren Tanzmeisterinnen und Tanzmeister brauchten dringend eine solide Ausbildung – und bekamen sie nicht zuletzt dank Eva Sollich, die sich dafür auch Anregungen aus der ungarischen Tanzhaus-Bewegung holte.
Die natürliche Autorität von Eva Sollich beruhte auf ihrem großen Wissen, ihrer praktischen Erfahrung und der Hingabe an die Arbeit mit ihren Schülern. Unter den professionellen Tanzpädagogen im Land war sie wichtigste – manche sagen, die einzige – Verbündete der Folkszene. An ihre erste Begegnung mit dem fröhlichen, aber ziemlich chaotischen Tanzen der jungen Leute damals während der Folk-Tanzabende erinnerte sie sich später so:
Ich kann nur sagen: herrlich! Ich selbst hatte schon sehr früh angefangen, anschließend an meine Programme Mitmachtanz zu machen und fand das immer fantastisch. Und ich habe den Folkstanz gleich zu Anfang erlebt, in der alten Kongresshalle in Leipzig. Was mich schockiert hat, war nur das Tempo. Alles andere hat mich total beeindruckt.
Bei dem von Eva Sollich entwickelten Ausbildungsprogramm für Tanzmeisterinnen und Tanzmeister ging es 1984 und 1985 in je zwei 14-tägigen Lehrgängen u. a. um die Geschichte des deutschen Volkstanzes, um Tanztechnik und um die Weitervermittlung an die Folkstänzer auf dem Parkett. Zehn öffentliche Veranstaltungen – vom Jugendklub über die Faschingsfeier bis zur Urlauberbetreuung – dienten als Praxistest. Die 21 Absolventen stammten aus acht DDR-Bezirken. Und die gaben das, was sie gelernt hatten, seither an Tausende Tanzlustige weiter.

Ehren-RUTH und Tanzlinde
Großen Anteil hatte Eva Sollich daran, das Rudolstädter Tanzfest für den Mitmachtanz zu öffnen. Das wiederum erleichterte 1991 die Neuprofilierung zum internationalen Tanz- und Folkfestival. Ab 1997 lebte sie als Rentnerin in Berlin und tanzte mit blinden und körperlich behinderten Menschen. Für ihr Lebenswerk wurde sie 2013 beim Rudolstadt-Festival mit einer Ehren-RUTH ausgezeichnet. Die Laudatio hielt damals eine ihrer Schülerinnen – die Leipziger Folktanz-Pädagogin Sigrid Doberenz. Sie erhält in diesem Jahr selbst die RUTH fürs Lebenswerk.
Weltmusikpreis RUTH geht 2025 nach Dresden und Leipzig | 10.04.25
2014 wurde auf Eva Sollichs Initiative im Rudolstädter Heinepark eine Tanzlinde gepflanzt. Nach alter Tradition wird dabei, wenn der Baum groß genug ist, zwischen dem unteren Astkreuz und der Baumkrone um den Stamm herum ein Tanzboden errichtet. 2016 sägten Unbekannte die Tanzlinde ab. Dank großzügiger Spenden und privater Initiativen konnte nach kurzer Zeit eine neue Tanzlinde gepflanzt werden. Sie ziert seitdem den Garten der Thüringer Bauernhäuser. Und jedes Frühjahr wird beim Tanz um die Linde an Eva Sollich erinnert.
