Folktage Ilmenau – Festival mit langem Atem | 25.10.23

„Wir machen keine Werbung, weil es sowieso zu wenig Karten gibt“, sagt Gernot Ecke von Feuertanz über die diesjährigen Folktage. Seit 1979 spielt die Ilmenauer Band Folkmusik, unternimmt im Sommer Planwagen-Touren und lädt im Herbst zu den Folktagen in die Universitätsstadt am Rande des Thüringer Waldes. Vom 27. bis 29. Oktober 2023 zum 40. Mal. Am Freitagnachmittag ging's wie üblich los mit Straßenmusik. Abends dann ein Zuhörkonzert, danach kamen vor allem die Tanzlustigen zu ihrem Recht. Es gab Sessions und Workshops. Und am Sonntag klang das Festival aus mit einer Wanderung. Am Ziel lockten Speisen, Getränke – und natürlich Folkmusik zum Tanzen.

Die Folkband Feuertanz (Foto: Sammlung Gernot Ecke)
Die Ilmenauer Folkband Feuertanz, zweiter von rechts: Gernot Ecke (Foto: Feuertanz)

VON WOLFGANG LEYN

Gernot Ecke über das traditionsreichste ostdeutsche Folkfestival (25.10.23)

Die Folktage gibt es seit 1978. In diesem Jahr finden sie zum 40. Mal statt. Seit wann bist Du dabei?

Ich bin im September 1978 nach Ilmenau gekommen, da waren die ersten Ilmenauer Folktage schon durch. Bei den zweiten, 1979, war ich dann dabei. Da hatte sich dann auch unsere Band Feuertanz gegründet, um die 2. Ilmenauer Folktage musikalisch mit einem Konzert in der Fußgängerzone zu eröffnen. Die Initiative für Folk und das Folkfestival kam damals aus dem Jazzclub der Hochschule – das waren Leute, die das musikalische Spektrum etwas breiter sahen. Ich bin damals auch in den Jazzclub eingetreten und habe dort andere Folk-Fans getroffen.

Festival-Banner in Ilmenau während der 3. Folktage 1980 (Foto: Sammlung Gernot Ecke)
Festival-Banner in Ilmenau während der 3. Folktage 1980 (Foto: Sammlung Gernot Ecke)

Wo siehst Du Euern Platz in der hiesigen Festivallandschaft, was ist das Besondere an den Folktagen?

Unser Festival ist ein fester Bestandteil der Bal-Folk-Feste, zu denen die Tanz-„Familie“ kommt. Aber es ist eben nicht nur ein Tanzfest, und das finde ich gut und wichtig. Unser Festival ist klein und familiär. Das wichtigste sind freilich die Tanzveranstaltungen – deshalb kommen die meisten Gäste. Aber etliche kommen auch wegen der Konzerte, der „Zuhör-Veranstaltungen“. Das sind unsere Eröffnung in der Fußgängerzone, das Freitagabends-Konzert und das Konzert zu „Tee und Töne“ am Samstagvormittag. Wir haben nach der Wiederbelebung und Neuorientierung vor zehn Jahren eine ganze Menge Werbung machen müssen, um den Saal zu füllen. Jetzt reicht unser Kartenangebot hinten und vorn nicht und wir müssen viele enttäuschen, die keine Karte mehr bekommen. Jetzt ist das Festival wieder gut bekannt und gefragt.

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Was hat sich über die Jahre verändert? Was ist gleich geblieben?

Oh, es ändert sich immer etwas! Angefangen haben wir mit viel Enthusiasmus – Folk war damals unter jungen Menschen sehr gefragt und auf dieser „Welle“ war es recht einfach, ein gut besuchtes Folkfestival zu organisieren. Vieles war auch echt chaotisch – aber das gehörte dazu. Ein paar Sachen haben sich aus der Anfangszeit echt erhalten – eben dass wir Zuhörkonzerte veranstalten und nicht nur Tanz. Der spielte in der Anfangszeit erstmal kaum eine Rolle. Und eine Wanderung mit den Gästen des Festivals durch die herrliche Ilmenauer Umgebung, die gab es schon immer.

Mit den Jahren sind nicht nur wir, sondern ist auch das Publikum älter geworden. Der Schwerpunkt hat sich mehr in Richtung Tanz verschoben. Und wie immer und überall – das Programm wird „erstritten“ – in unserem „Org-Team“. Unsere Arbeit, unsere Treffen sind mit sehr viel Freude verbunden, und wir hoffen, dass das auch ausstrahlt!

10. Folktage Ilmenau 1988 (Foto: Sammlung Gernot Ecke)
10. Folktage Ilmenau 1988 (Foto: Sammlung Gernot Ecke)

Wie habt Ihr es geschafft durchzuhalten – trotz Systemabsturz 1990, trotz Corona 2020/21?

Ich weiß nicht wie, aber wir haben uns einfach nicht beirren lassen und haben weitergemacht. Die Möglichkeiten nach 1990 waren natürlich auch phantastisch – wir konnten internationale Bands und Musiker einladen, von denen wir vorher nur geträumt haben. Wir hatten viele wunderbare Konzerte. Das hat auch immer wieder die Gäste angelockt. Und natürlich – wir hatten als Uni-Folkclub einen Vorteil: Viele ehemalige Ilmenauer Studenten, Tänzer, Musikbegeisterte sind jedes Jahr zu uns gekommen. Wir konnten uns immer auf viele Gäste verlassen, die wir schon kannten. Damit kann man was machen. Letztlich war das auch in der Corona-Zeit so. Wir haben das ausgereizt, was ging, und als 2021 fast nichts ging, keine öffentlichen Veranstaltungen, sondern nur noch private Feiern – da war es eben eine private Veranstaltung. Und auch das ist ein wunderbares Fest geworden.

Ein Meilenstein in der Festivalgeschichte war vor zehn Jahren. Nachdem das Festival bis dahin immer kleiner wurde und fast privat organisiert wurde, haben wir es neu erfunden. Neue Räumlichkeit, ein Team, das Lust und Freude bei der Organisation hatte. Und der Fokus liegt jetzt mehr auf Bal folk. Ohne diesen Punkt würde es uns wohl nicht mehr geben.

Auch für Festivals wird gerade alles teurer – Strom, Mieten, Künstlerhonorare, Reisekosten, Security… Wie geht Ihr damit um?

Ja, es wird vieles teurer. Wir mussten die Eintrittspreise ein wenig anheben. Aber wir bekommen auch finanzielle Unterstützung von der Stadt Ilmenau und manchmal vom Landkreis. Unser Festival ist immer sehr preiswert gewesen, und es gehört auch jetzt sicher zu den preiswertesten. Wir wollen ja keinen Gewinn damit erwirtschaften. Damit kommen wir irgendwie klar.

Was uns gerade jetzt viel mehr Ärger bereitet, ist die wachsende Bürokratie! Für alles braucht man eine Genehmigung, die wieder eine weitere Genehmigung nach sich zieht. Das ist im Grunde fast unlösbar. Veranstaltungsgenehmigung, Verlängerungsgenehmigung, Ausschankgenehmigung, GEMA, Genehmigungen für Straßenmusik, Lagerfeuer und ... und ... und. Steuern in verschiedenen Sätzen auf Eintritt, Ausschank, Künstler-Catering ... und ... und ... und. Und alles kostet. Da braucht man Leute im Team, die einen langen Atem haben!

Ilmenau ist eine Studentenstadt – macht sich das bei den Folktagen bemerkbar?

Fast gar nicht. Junge Leute, Ilmenauer Studenten kommen kaum zu unserem Folkfest, zumal wir keine Werbung mehr machen können, weil es sowieso zu wenig die Karten gibt. Und der Veranstaltungsort, jetzt im Schülerfreizeitzentrum und vorher in einem Vereinsgebäude in Oberpörlitz, hat auch nichts mit der Uni zu tun. Was letztlich auch eine Konsequenz daraus ist, dass das Thüringer Studentenwerk es uns durch Preise und Auflagen sehr schwer gemacht hat, das Festival in der Uni-Mensa zu veranstalten. Aber – viele unserer Gäste sind ehemalige Ilmenauer Studenten.

Der Folkklub Ilmenau 1987 (Foto: Sammlung Gernot Ecke)
Der Folkklub Ilmenau 1990 (Foto: Sammlung Gernot Ecke)

Das Foto des Folkklubs Ilmenau von 1990 zeigt lauter junge Gesichter. Kennt Ihr Leute, die mal den Staffelstab vom jetzigen Festivalteam übernehmen könnten und wollten?

Na ja, wirklich junge Leute sind bei uns im Org-Team nicht. Aber die jüngste hat noch keine Fünf vorn stehen! Also das Festival wir es schon noch eine Weile geben. Und ja – wir versuchen schon, junge Leute durch junge Bands anzusprechen. Oft sind es auch die Kinder von uns oder von Freunden, die sich dafür interessieren und vielleicht im Team mitmachen würden – aber das Leben treibt sie irgendwohin in die Welt, und dann sind sie weg. Es wäre verdammt wichtig und schön, wenn da noch was passieren würde!

Was wünschst Du Dir für diese 40. Folktage?

Das ist eine schwierige Frage. Ich wünsche mir eine ganze Menge, zum Beispiel:
- dass alles gut funktioniert
- dass unsere Gäste froh und glücklich mit dem Angebot und den Veranstaltungen sind
- dass alle gesund und munter bleiben
- dass wir alle beseelt und mit Inspiration aus diesem Festival kommen
- dass die Musiker und Bands zufrieden und glücklich sind mit uns und dem Festival, der Resonanz und den Gästen
- dass wir ein bisschen schönes Wetter haben, für die Wanderung, für das Lagerfeuer und überhaupt
- ich wünsche mir viele lachende, frohe und glückliche Gesichter!
- dass uns die Bürokratie ein bisschen verschont und unsere finanzielle Rechnung aufgeht
- gute Gespräche, schöne Musik
- dass wir uns im Org-Team danach treffen und sagen „Es war wunderbar!“ und voller Freude an die Organisation der Folktage 2024 gehen
- und am allermeisten, dass unsere Folktage nicht von schlechten Meldungen aus der Welt über Kriege und Not, sondern von guten Nachrichten über Frieden und Gerechtigkeit begleitet werden!

Die Folkband Feuertanz (Foto: Sammlung Gernot Ecke)
Feuertanz in großer Besetzung (Foto: Sammlung Gernot Ecke)

Plakate aus vier Jahrzehnten Folktage Ilmenau