Tiefe Töne als Folkmusik-Fundament | 10.04.24

2024 ist die Tuba Deutschlands „Instrument des Jahres“. Mit dieser Initiative, 2008 angeregt vom Landesmusikrat Schleswig-Holstein, soll das öffentliche Interesse für Musikinstrumente geweckt werden, besonders für diejenigen, die normalerweise nicht so im Mittelpunkt stehen. Die Mandoline, „Instrument des Jahres 2023“, ist unter Folkies weit verbreitet. Nicht so die Tuba. Zwei Folkmusiker, die das tiefste Blechblas-Instrument spielen, haben wir nach ihrem Verhältnis zum Instrument gefragt.

Toralf Thiesen mit tieftönendem Blech (Foto: privat)
Toralf Thiesen mit tieftönendem Blech (Foto: privat)

Toralf Thiesen: Balkanmusik mit Tuba aus dem Sperrmüll

Toralf gehörte 1984 als Student zu den Gründungmitgliedern der Rostocker Folkband Fiddlers Grien. Mit den Hellen Barden organisierte er 1990 bis 2007 unter dem Motto „Wir sind das Folk“, den jährlichen Treffpunkt der mecklenburgischen Szene. Bis heute spielt der Diplomingenieur in Rostock bei den Timskis und den Zartgesottenen Melodealern Kontrabass, Bouzouki und Tuba. Zu erleben sind die Melodealer aus Rostock in diesem Jahr beim „Songposium“ während des Rudolstadt-Festivals.

Größe und Gewicht sprechen gegen die Tuba. Was spricht dafür?
Einer muss es ja machen. Unschlagbares Argument (bekam ich echt zu hören). Ist ganz einfach - wenn man Trompete kann (ich nicht). Aber drei Stunden Unterricht haben gereicht - dann hatte ich Mugge.

Seit wann spielst Du Tuba? Wie bist Du dazu gekommen? Woher stammt Dein Instrument?
Seit ca. 20 Jahren. Anlass war ein Besuch bei einem Freund, der gerne Sperrmüll plündert und nichts wegwerfen kann. Der hatte auch zwei Tuben im Schuppen. Dazu kam, dass gerade Balkanmusik in Mode kam und sich die Kollegen an diversen Tröt-Instrumenten versuchten. Später wechselte ich dann zur kompakten "Baby-Tuba", und es wird mit einem Octaver nachgeholfen. Ab 1 000 Watt Subwoofer macht es richtig Spaß!

Wie reagieren die Zuhörer auf das Instrument – verwundert, erfreut, genervt?
Mit Respekt: Machen Sie die tiefen Töne mit dem Mund? Das will man hoffen…

Nicht selten spielen Tubisten auch Kontrabass oder Bassisten Tuba – Liebe zum tiefen Ton?
Eher das Verständnis dafür, was "untenrum" passieren muss, damit es rund klingt.

Gibt es eine besondere Geschichte, die Du mit diesem Instrument erlebt hast?
Ausnahmsweise nichts Lustiges, aber es war sehr erhebend, dass ich von den überaus renommierten Brassberries über viele Jahre als Gasttubist engagiert wurde (Foto).

Die Brassberrys aus Hannover mit Toralf Thiesen als Gasttubist, hier 2015 beim Folkfest in Hohnstein/Sächsische Schweiz (Foto: privat)

Michael Zimmermann: Wassergekühlte Tuba im Deutschen Theater

Michael, Berliner mit Wohnsitz im brandenburgischen Altenhof/Schorfheide, gründete 1980 gemeinsam mit Jo Meyer und Andy Wieczorek die Ostberliner Folkband JAMS und war dort für die tiefen Töne zuständig. Schon ab 1978 spielte er bei Windbeutel, einer vielseitigen Folkband um den Dudelsack-Aktivisten Bernd Eichler, mit dem Michael auch in der Tower-Jazzband musizierte, einer der erfolgreichsten Oldtime Jazzbands der DDR. Später war er u. a. an Musikprojekten der Folkband Heureka beteiligt. Nicht zu vergessen die legendäre Hektik Drive Bigband von 1981, bestehend aus 27 Musikern von zwölf Bands aus der ganzen Republik unter Leitung von „Folkmusikdirektor“ Erik Kross.

Größe und Gewicht sprechen gegen die Tuba (wie auch gegen den Kontrabass). Was spricht dafür?
Eine Tuba wiegt 6,5 bis 8 kg. Tiefe Töne machen die Musik erst richtig „rund“ und kompakt. Wie schrieb doch Patrick Süskind in seinem Theaterstück: „Ohne Kontrabass fliegt eine Jazzband explosionsartig auseinander! Den anderen Musikern erscheint dann mit einem Schlag alles sinnlos.“

Seit wann spielst Du Tuba? Wie bist Du dazu gekommen? Woher stammt Dein Instrument?
Bernd Eichler drückte mir Anfang 1980 eine Tuba in die Hand. Ich habe ohne Vorkenntnisse empirisch ermittelt, wie es geht. Nach einem Monat habe ich dann im Haus der jungen Talente mit Windbeutel die Melodie von “Auf, auf zum fröhlichen Jagen“ gespielt (in D-Dur, einer ungünstigen Tonart). Später habe ich im Musikfachgeschäft „Takt & Ton“ ein Instrument aus Böhmen erstanden. Ich spiele eine Eb-Tuba, die ist nicht so tief wie die fette Bb-Tuba. Habe die dann später auch ab und zu für Marschmusik bei der Tower-Jazzband eingesetzt und in der Hektik-Drive-Bigband.

Wie reagieren die Zuhörer auf das Instrument – verwundert, erfreut, genervt?
Genervt keinesfalls. Beim Folk haben vielleicht einige Leute gestaunt, aber es gab ja dort auch andere mehr oder weniger exotische Instrumente.

Nicht selten spielen Tubisten auch Kontrabass oder Bassisten Tuba – Liebe zum tiefen Ton?
Meist ist es nicht nachvollziehbar, warum man sich für ein Instrument entscheidet. Beide Instrumente zu beherrschen, ist im Jazz sehr zweckdienlich – Erweiterung der eigenen Möglichkeiten.

Gibt es eine besondere Geschichte, die Du mit diesem Instrument erlebt hast?
Ich wollte mal am Deutschen Theater für ein Stück Musik einspielen, das Instrument lag im heißen Sommer eine Weile im Auto, durch die Hitze ließ sich das Instrument nicht mehr richtig stimmen, ich musste es erst im Waschraum eine Weile mit kaltem Wasser kühlen…

Windbeutel um 1980: Michael Zimmermann, Bernd Eichler, Jo Meyer (von links, Foto: Sammlung Wolfgang Leyn)

Stichwort Tuba

Das Blechblasinstrument in der Bass-Lage hat ein nach oben gerichtetes Schallstück, drei bis sieben Ventile und wird mit einem Bechermundstück gespielt. Charakteristisch sind die weite Mensur und das konische Rohr (mit einem Größenverhältnis zwischen Mundstück und Schallstück von rund 1:20). Erfunden wurde die Tuba im 19. Jahrhundert. 1835, kurz nach der Entwicklung der Ventiltechnik, meldeten Wilhelm Wieprecht und Carl Wilhelm Moritz in Berlin eine Bass-Tuba in F mit fünf Ventilen zum Patent an. Wegen des besseren Klangs und der zuverlässigeren Intonation verdrängte die Tuba ihre Vorgänger Serpent, Basshorn und Ophikleide. Der tschechische Instrumentenbauer Václav František Červený entwickelte 1845 eine Kontrabasstuba in B und C. Zunächst vor allem von Militärkapellen eingesetzt, wurde die Tuba bald aber auch ins Sinfonieorchester integriert. Dort sorgt sie mit ihrem tiefen und voluminösen Ton für das Fundament des Blechsatzes und hat zudem eine rhythmische Funktion. Im Jazz nahm die Tuba bis etwa 1925 die Bassrolle ein, dann wurde sie vom Kontrabass abgelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg feierte sie im Dixieland ein Comeback. In der Folkszene wird sie nur von wenigen Bands gespielt. Zu den Ausnahmen gehört Liederjan in Hamburg, gehörte die 1981-1986 bestehende Band Arbeiterfolk in Zwickau.

Kneipenmusik mit Arbeiterfolk (wohl Mitte 80er Jahre): Olaf Domaratius, Marco Kuschel, Carsten Clauß (†) und Michael Seidel (von links, Foto: privat)