Lied-Empfehlung: Hans, bleib da | 24.04.24

Eigentlich passt das Lied immer, aber natürlich besonders gut im April. Warme Tage, kalte Nächte, rascher Wechsel von Sonne und Regen, kräftiger Wind – „April, April, der weiß nicht, was er will!“ reimt der Volksmund. Unser Lied, eine alpenländische Volksweise, stammt aus der schwäbischen Fastnachtstradition. Die Melodie von „Hans, bleib da“ komponierte 1840 ein gebürtiger Prager. Und man kann sehr gut dazu tanzen.

VON WOLFGANG LEYN

Wetterfrosch im Glas, Radierung aus „Die Gartenlaube“ (1887, Ausschnitt)

Hitziger Streit und eisige Mienen

Zahlreiche Redewendungen zeugen von der Bedeutung des Wetters für unser Leben – sie hat ein sonniges Gemüt, er ist ein windiger Bursche. Wir sprechen vom hitzigen Streit, von eisiger Ablehnung, jemand ist blitzgescheit, hängt sein Fähnchen nach dem Wind und wird wohl ein Donnerwetter erleben. Leicht kommt man vom Regen in die Traufe. Wenn jemand benebelt ist, kann ihn leicht jemand aufs Glatteis führen. Wenn er es dann bemerkt, ist er betrübt, und macht ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Andere sagen dann über ihn: Dem hat’s die Petersilie verhagelt! Aber irgendwann ist alles nur noch Schnee von gestern.

Wer weiß, wie’s Wetter wird…

Das Wetter ist schwer vorauszusagen, selbst heute mit Computerberechnungen und Regenradar. Erst recht in früheren Zeiten, als das 1643 erfundene Barometer noch kaum verbreitet war. Noch im 19. Jahrhundert verließ man sich in Deutschland eher auf den Wetterfrosch im Glas. Stieg der auf seinem Leiterchen noch oben, rechnete man mit schönem Wetter. Besonders abhängig von der Witterung waren Bauern, Obstgärtner und Winzer. Ihr Erfahrungswissen floss in Bauernregeln ein:

Aprilsturm und Regenwucht, kündet Wein und gold'ne Frucht.

Bläst der April mit beiden Backen, gibt's viel zu jäten und zu hacken.

Donner im April viel Gutes künden will.

Gehst du im April bei Sonne aus, lass nie den Regenschirm zu Haus.

Aprilwetter und Kartenglück wechseln jeden Augenblick.

Narrenmarsch, Kinderlied, Kneipenhit

Beinahe so vielfältig wie das Wetter im April sind die Bezeichnungen für unser Lied „Hans, bleib da“: Thüringer Zweitritt, Polka-Lied, alemannischer Narrenmarsch, Kinderlied, Stubnmusi- und Kneipenhit. Als Heimat wird mal Oberösterreich genannt, mal das Burgenland, mal Unterfranken. Ursprünglich kommt das Lied aus Schwaben. Ich lernte es bei der Leipziger Band Folkländer kennen. Es war eines unserer Zugaben-Stücke. Gesungen haben wir‘s gemeinsam mit unserem Publikum auch mit anderen Vornamen als Hans, und wenn ich mich recht erinnere, sogar als Kanon.

TEXT UND NOTEN

Hans bleib da, mer weiß nicht nich, wie’s Wetter wird

Hans bleib da, mer weiß nicht nich, wie’s Wetter wird.
Hans bleib da, mer weiß nicht nich, wie’s Wetter wird.
‘s kann regnen, ‘s kann schnein
‘s kann auch wieder schöner sein.
‘s kann regnen, ‘s kann schnein
‘s kann wieder schöner sein.

Variante in einem Südtiroler Kindersingheft:

S‘ kann donnern oder blitz’n
oder ‘s kommt a feste Hitz’n.

Eine verbreitete fränkische Textfassung behandelt den Zwiespalt eines Mannes zwischen Nachhause-Gehen-Sollen und In-der-Kneipe-Bleiben-Wollen:

Hans bleib do, du weißt ja nit, wie’s Wetter wird,
Hans bleib do, du weißt ja nit, wie’s wird.
Es mag regnen oder schnein,
oder auch schön Wetter sein,
Hans bleib do, Du weißt ja nit, wie’s wird.

I geh hoam, ja weil mei Olde wart auf mi,
I geh hoam, Mei Olde wart auf mi.
Sie hot g’sagt, wenn i nit kimm,
Muass i wieda Scheida knian.
I geh hoam, Mei Olde wart auf mi.

I bleib do, i hob ma’s anders überlegt.
I bleib do, i hob ma’s überlegt.
Weil jetzt is so g’müatlich do.
Mei Olde schimpft ja sowieso
I bleib do, i hob ma’s überlegt.

Beim Volksmusik-Stammtisch im Klosterneuburg/Niederösterreich wurde spontan diese Strophe aus weiblicher Sicht gedichtet:

Hans, bleib da, mir gengan heute no net ham,
Hans, bleib da, mir gengan no net ham.
denn mei Glas is no net leer
und du bist heute mein Chauffeur.
Hans, bleib da, mir gengan heute no net ham.

LIEDGESCHICHTE

Narren-Festmarsch und Folk-Hit

Unterschiedliche Textversionen in der jeweiligen Mundart zeugen von vorwiegend mündlicher Verbreitung des Liedes. Es gibt zahlreiche Parodien und musikalische Bearbeitungen. Die Melodie stammt von Johann Wenzel Kalliwoda, der 1801 in Prag geboren wurde und 1822-66 Kapellmeister am Hoftheater Donaueschingen/Baden-Württemberg war. 1840 komponierte er dort das dreiaktige Fastnachtsspiel „Billibambuffs Hochzeitsreise zum Orkus und Olymp“. Der 3. Akt beginnt mit dem Narrenfestmarsch. Dieser wurde später von Hofmusikus Alois Rinsler, dem Dirigenten der Donaueschinger Bürgerwehrmusik, zum Straßenmarsch umgeschrieben. Seit 1900 mehrfach neu arrangiert, dient „Hans, bleib da“ bis heute den schwäbisch-alemannischen Narrenzünften als Festmarsch, versehen mit jeweils eigenen Texten. Mehr dazu hier.

"Donaueschinger Hansel" - schwäbisch-alemannischer Fasnet-Umzug (Foto: Wulf Wager, www.narri-narro.info)

Horst Traut, Leiter der Folkband Kantholz aus Neuhaus am Rennweg, führt in seiner Liedersammlung „Der Hallodri“ zwei Thüringer Versionen von „Hans, bleib da“ an und verweist auf die Beliebtheit des Liedes im DDR-Folk-Revival. 1989, kurz vor der Wende, „bekam der Text des harmlosen Liedchens plötzlich eine politische Dimension“.

In Franken, Schwaben, Bayern und Österreich werden außer der ersten Strophe noch weitere gesungen: Etwa diese aus dem Burgenland:

Hans, bleib da und schau di um a Dirndl um,
Hans, bleib da und schau di hiaz bald um.
A jeda Mann, der braucht a Weib
Zur Wirtschaft und zum Zeitvatreib.
Hans, bleib da und schau di hiaz bald um!

Kinderlied, Corona-Parodie, Singtanz

Die Bayerische Landeskoordinationsstelle Musik empfahl 2019 das Lied für den „Aktionstag Musik in Bayern“. Ab 21. März 2020 veröffentlichte das Oberösterreichische Volksliedwerk „anlässlich der Covid-19-Ausgangsbeschränkungen und der geschlossenen Schulen“ jeden Tag ein- bis zweistimmige Kinderlieder als Download, darunter auch „Hans bleib da“.

Die Regensburger Harfenistin Tintin Treutwein sang in der Zeit der Lockdowns diesen Text:

Leits bleibt's då, ma woaß ja net, wia's weiter wird,
Leits bleibt's då ma woaß ja net, wia's werd!
Ostern is ins Wasser gfalln, Corona holt uns alle ein.
Leits bleibt's då, ma woaß ja net, wia's weiter wird,
Corona bestimmt heit unsre Welt.

Das Lied ist eigentlich ein Singtanz. Hier eine Anleitung dazu vom Tanzkreis Freising bei München: https://www.bairisch-landlerisch.de/hans-bleib-da/
Und hier ein Tanz-Video: https://www.youtube.com/watch?v=bWkqx-mxReY

HÖRBEISPIELE

https://www.youtube.com/watch?v=DkniagttGLk
Tyrol Music Project, Niederau in der Wildschönau bei Kufstein/Tirol (2017)

https://www.youtube.com/watch?v=UyF7iUo0ElI
Blaskapelle Möckenlohe, Landkreis Eichstätt, Bayern (2023)

https://www.youtube.com/watch?v=1nHBbFdJq20
Sunnseitn Musi vom Wolfgangsee/Salzkammergut (2020)

https://www.youtube.com/watch?v=XR3qLY9TeHw
Die Kern Buam, aus Voitsberg/Steiermark (1970)

https://www.youtube.com/watch?v=YXANY0gjB7s
Zitherquartett Manfred Schuler aus Kärnten (1993)

https://www.youtube.com/watch?v=roiI7QIm18k
Rhöner Bluat aus Burglauer/Unterfranken, eigener Text (2009)

https://www.youtube.com/watch?v=6UMpNIQR_Hs
Familie Niederfringer in Serfaus/Südtirol (2019)

https://www.youtube.com/watch?v=ziORST0CBjI
Narrenmarsch, Musikverein Riedböhringen/Schwarzwald (2021)

https://www.youtube.com/watch?v=aaiQNk4v6pU
Kapelle Peuppus München, Schellackplatte (um 1910)

https://www.youtube.com/watch?v=UWFp5Cz9ao8
AlpenRebellen aus Eisenerz/Obersteiermark, eigener Text (1993)

https://www.youtube.com/watch?v=3sf-KPsZOO8
Kirchenchor Waldulm/Baden-Württemberg, a cappella (2017)

https://www.youtube.com/watch?v=0LPWR9UwNh4
Four Fiddlers, Hückeswagen/NRW: Klarinetten-Muckl / Hans bleib da (2013)

https://www.youtube.com/watch?v=emoyIv7jCuQ
Tintin Treutwein aus Regensburg mit Harfe und Corona-Umtextierung (2020)

https://www.youtube.com/watch?v=jJVSk-WOHY0
Reinhard Vinzenz Gampe: rockiger Porträt-Song auf Hans Schuierer, in den 80ern Symbolfigur des friedlichen Widerstandes gegen die atomare Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf in Bayern (2020)

https://www.youtube.com/watch?v=id_QlFGRlgU
Sepp bleib do, Hubert von Goisern und Die Alpinkatzen, Rocksong, eigener Text (1992)

https://www.youtube.com/watch?v=E0jSWuh9_Hw&list=OLAK5uy_m4dyz28kHY1YmzLVMbl2Rjl7qYkPsTolQ&index=7
Werner Meier & die Heimatpfleger, „umgerappt“, mit eigenem Text (1995)

https://www.youtube.com/watch?v=qA56FZTZ2JY
Nobody Knows aus Tangermünde beim Stendaler Festival „Folk! in die Nacht“ (2011)

https://www.youtube.com/watch?v=0foM7tFCW6Y
Stefan Straubinger und SpuimaNovas aus München (2015)

https://www.youtube.com/watch?v=fHHg11v22VM
Die Chiller aus Wiener Neustadt: Franz bleib do (2010)

https://www.youtube.com/watch?v=wRdyrIgK7qw
Duo AkkoSax aus Tirol, “Post-World-Music” (2007)

https://www.youtube.com/watch?v=etGhBXxAtFQ
Polkaholix: Rock-,Polka-,Ska-Version, mit eigenen Strophen als „Reiselied“ (2012)

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